42. Kapitel

 

Alexander schwang sein Schwert, zielte auf den Unterleib des Vampirs. Dann justierte er seinen Griff, holte aus und traf seinen Gegner mitten ins Herz. Kiril, der an seiner Seite kämpfte, bekam es mit einer Vampirfrau zu tun, die mit lautem Geschrei auf ihn losstürmte. Patrick, Ismail, James und Margaret fochten Rücken an Rücken.

Sie waren stark in der Unterzahl, zehn zu vierzig, und obwohl die Verräter unter ihren Schwertstreichen zu Boden gingen, kamen immer mehr herbeigeströmt, aus Nebenzimmern, von der Treppe ... Was?

»Patrick!«, rief Alexander und rannte auch schon auf die Treppe zu, die in den ersten Stock führte. Patrick sah ihn rennen und folgte ihm ohne Zögern.

Verflucht noch mal1 Er würde Angelica schlagen, wenn er sie in die Finger bekam! Er hatte ihr befohlen, draußen zu warten, aber natürlich hatten sie und Violet nicht auf ihn gehört. Wie konnten sie so dumm sein, so ... so ... Alexander schäumte vor Zorn, konnte nicht mehr rational denken. Mit dem Schwert um sich schlagend, durchquerte er den Saal. Überall schrien Vampire, er sah, wie einer von James' Männern fiel, wie ein anderer schlimm bedrängt wurde, konnte aber nicht eingreifen, nicht, wenn Angelica und Violet dort oben waren, in Gefahr.

Drei Stufen auf einmal nehmend rannte Alexander die Treppe hinauf. Er sah gerade noch den hellgrünen Rocksaum seiner Frau in einem Zimmer verschwinden. Sekunden später tauchte auch er im Türrahmen auf, Patrick dicht hinter sich.

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Patrick und sprach damit genau das aus, was Alexander dachte. Violet und Angelica standen mit gezückten Dolchen vor einem kahlköpfigen Vampir, der aussah, als wolle er sich jeden Moment auf beide Menschenfrauen stürzen. Und hinter diesen dreien lagen zwei nackte Gestalten im Mondschein auf zwei langen Tischen.

Als Alexander erkannte, um wen es sich dabei handelte, sah er rot. Mit drei langen Schritten war er vor dem Glatzkopf, holte aus und trennte ihm sauber den Kopf ab. Blut spritzte in einer Fontäne über die kalten Steinfliesen; der Kopf rollte in eine Ecke.

»Mikhail! Nell!«

Angelica und Violet waren zu den beiden leblosen Gestalten geeilt und beugten sich voller Sorge über sie. Alexander holte tief Luft. Es stank nach Blut, der Geruch hing dick und verlockend in der Luft. Ihm wurde schwindelig, er fühlte, wie er die Beherrschung zu verlieren drohte ...

Ein rascher Blick zu Patrick bestätigte, dass es dem Freund ähnlich erging. Auch seine Augen funkelten in einem unheimlichen Schwarz.

»Alexander!« Angelicas Stimme riss ihn aus seiner Trance. Mit tränenüberströmtem Gesicht blickte sie ihn, über ihren Bruder gebeugt, an. »Bitte, du musst ihnen helfen.«

Stimmen drangen wie aus weiter Ferne in sein Bewusstsein. Mikhail! Jemand rief seinen Namen. War das Alexander? Angelica? Sie klang so besorgt. Wenn er vielleicht versuchen würde, seine Augen aufzuschlagen ...

Mikhail öffnete mühsam die Augen und blickte in die besorgten Gesichter seiner Schwester und seines Schwagers. Er wusste zuerst nicht, wo er war, doch dann fiel ihm alles wieder ein.

»Nell!«

Ohne darauf zu achten, dass er splitternackt war, sprang Mikhail mit einem Satz vom Operationstisch und schaute sich hektisch um. Als er Nell in Violets Armen sah, trat er über die kopflose Leiche des Wissenschaftlers hinweg und musterte sie besorgt.

»Nell, was ist los? Was fehlt dir?«

Aber ihr Blick war ins Leere gerichtet, sie schien ihn überhaupt nicht wahrzunehmen, schaute durch ihn hindurch.

Mikhail blickte fragend Violet an. »Was ist los mit ihr? Was ist passiert?«

»Man hat ihr Blut abgenommen, wie viel, weiß ich nicht, aber sie wird schon wieder«, sagte Violet beruhigend. Dann fiel ihr Blick auf die kleine rote Einstichwunde in seiner Armbeuge. »Und du?«

»Mir geht's gut«, entgegnete er. Und es stimmte! Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er sich seit langem nicht mehr so gut, so stark gefühlt hatte. »Wie habt ihr uns gefunden? Wo sind die Kinder?«

»Patrick hat sich auf die Suche nach ihnen gemacht. Komm, Mikhail, wir müssen weiter. Kannst du gehen?«

Alexander war es, der diese Frage gestellt hatte. Er kniete bei der Leiche des Wissenschaftlers und zog ihm gerade die Hose aus. Dann erhob er sich und hielt Mikhail die Beinkleider hin. Erst jetzt wurde Mikhail bewusst, dass er nichts anhatte.

»Ja, ich hab doch gesagt, mir geht's gut.« Angewidert schlüpfte er in die Hose und sah zu, wie sein Schwager sein blutbesudeltes Hemd auszog und Nell zum Anziehen gab.

»Der Kampf ist noch nicht vorbei«, bemerkte Alexander grimmig. »Ich muss dich bitten, die Frauen in Sicherheit zu bringen.«

Angelica sah aus, als wolle sie protestieren, aber Alexander schnitt ihr das Wort ab. »Nein, Angel, diesmal wirst du mir gehorchen. Ich kann nicht kämpfen, wenn ich mir Sorgen um dich machen muss.«

Wie aufs Stichwort kamen in diesem Moment zwei Vampire schreiend in den Raum gestürzt. Mikhail schaute sich hastig nach einer Waffe um, konnte aber nichts außer ein paar chirurgischen Instrumenten und Spritzen finden. Er nahm sich eins der Messerchen und wirbelte herum. Alexanders Schwert bohrte sich soeben in den Bauch eines Angreifers. Der andere sprang ihn mit gezücktem Dolch an. Mikhail wich geschickt zur Seite aus, ließ den Gegner ins Leere laufen und als dieser ihm den Rücken zukehrte, sprang er vor, packte ihn von hinten und zog ihm das Operationsmesser über die Kehle. Alexander zog soeben sein Schwert aus der ersten Leiche, da fiel Mikhails Vampir nach hinten und begrub den Prinzen unter sich.

»Mikhail!«, schrien Angelica und Violet gleichzeitig und rannten zu ihm, um den schweren Körper von ihm herunterzuzerren. Doch dabei öffnete sich die Halswunde nur noch weiter, und das Blut spritzte hervor. Der Geruch war betäubend.

Alexander stieß sie beiseite und hob die Leiche mühelos von Mikhail herunter. Ohne zu zögern beendete er, was Mikhail begonnen hatte und schlug auch diesem Vampir den Kopf ab, der über den Boden rollte und sich zu den anderen beiden gesellte.

»Bring die Frauen von hier weg!«, knurrte das Oberhaupt des Ostclans. Mikhail erhob sich sogleich. Doch sein Blick hing besorgt an Nell, die sich immer noch nicht gerührt hatte. Mit glasigen Augen stand sie da und starrte zitternd ins Leere.

Alexander sagte nichts weiter. Mit kohlschwarzen Augen und zuckendem Wangenmuskel ging er zur Tür. Mikhail packte Nell bei der Hand und folgte ihm, zusammen mit Violet und Angelica. Zu ihrer Erleichterung befand sich niemand mehr im Gang, doch aus dem großen Saal drang Kampflärm zu ihnen herauf.

»Wo sind Patrick und die Kinder? Hat er sie gefunden und in Sicherheit gebracht?«, fragte Angelica ihre Cousine flüsternd. Sie wusste, dass Violet die drei mit ihrer unglaublichen Nase aufspüren konnte. Sie hatten inzwischen die Treppe erreicht und verharrten vor dem großen Fenster, von dem aus man in den Saal hinabsehen konnte. Mikhail hielt Nell fest an sich gedrückt. Was hatte Alexander vor? Er wusste doch sicher, dass er und Nell sich den Wahren Vampiren keinesfalls zeigen durften, sonst wären sie erledigt.

Aber bevor Mikhail seiner Sorge Ausdruck geben konnte, bekam Violet ganz große Augen und rannte zum Kopf der Treppe. Sie mussten nicht fragen, was los war, sie erfuhren es sogleich.

»Es ist vorbei!«, schallte Ramils laute Stimme durch den Saal.

Übers Geländer gebeugt sahen sie ihn in den Saal schreiten. Die Kämpfer hatten beim Klang seiner gebieterischen Stimme innegehalten.

»Waffen fallen lassen oder die Kinder sterben! SOFORT!«

Mikhail sah, wie Ismail, James, Margaret, Kiril und Patrick, der sich offenbar wieder unter die Kämpfenden gemischt hatte, mit betroffenen Gesichtern die Schwerter niederlegten. Angelica, die neben ihm stand, klammerte sich mit weiß hervortretenden Knöcheln ans Geländer. Auch Alexander und Violet waren wie erstarrt. Keiner rührte sich.

»NEIN!«

Es war Nells Schrei, der die Stille zerriss.

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